LIED zum GOBELIN
Stich um Stichlein,
Stund` um Stunde,
Farb` um
Farbe
wird zum Bild,
Schlafe, Liebster!
In Gedanken
lebst du weiter
sanft und - ja, ja! - wild.
Mein Gobelin,
dein Gobelin...!
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SIE ARBEITET EZÄHLEND AN EINEM GOBELIN
Eine schöne Arbeit, so ein Gobelin...
-
Was könnt Ihr schon wissen, wie das ist, mit einem Mann wie
dem Albert
sein Leben verbracht zu haben...an seiner starken
Seite...
Ja, ja, der Albert...
Er hat es Ihnen gezeigt, jeweils...ihm wagte keiner frech zu
kommen. keiner, auch kein Starker...weil der Albert der
Stärkste war...zum Kopf haben sie ihn gemacht, wo immer er
hinkam..."gemacht" ist gut... sie konnten
gar nicht anders, er
war einfach der Kopf...und er duldete keine anderen Köpfe
neben sich...er hätte sie allesamt aufgefressen mit seinen
schneeweissen
Zähen...die eigenen Zähne hatte er bis zum
Schluss, und nicht einer war geflickt...er hat stets gesagt: "Wenn
du einem die Zähne zeigen willst, dann müssen es die eigenen
sein"...das hat er immer gesagt, und dabei hat er gelacht, dass es
ganz weiss aufblitzte im Zimmer...manchmal hat er mich auch
ein wenig gebissen...wie
wenn er sagen wollte: "Ich könnte dich
auffressen, so gern hab ich dich"...ja, das hat er wohl sagen
wollen, wenn er mich so leicht biss...hier...oder hier bei dem
Leberfleck...das war mir einer, der Albert...ein Schlimmer...
-
Als ich ihn kennenlernte, war ich noch nicht sechzehn...das war
ihm gerade
recht..."So jung und formbar", hat er gesagt...das
war vielleicht das einzige Mal, dass er sich täuschte...mit dem
`formbar`meine ich...man hat ja als Frau mit sechzehn so seine
Idee, was aus einem werden soll...aber kennengelernt hat er
mich doch...und erst noch sehr gründlich...wir haben uns am
zweiten Tag beinahe die Köpfe
abgebissen über der Frage, ob
der Mensch nach dem Tod irgendwie weiterlebe...oder
nicht...
jetzt weiss er`s...
-
Manchmal denke ich schon, dass ich vielleicht ein bisschen
einsam bin so ganz ohne ihn...aber dann sage ich mir immer: "Du
hast ja noch
gar keine Zeit gehabt, dich ans Aleinsein zu
gewöhnen, wie willst du da schon wissen, ob`s gut ist, oder
schlecht"...und ausserdem ist er auch noch ein bisschen da...
auf dem Buffet im Glasrahmen...in der Vitrine mit den vielen
Schützenmedaillen und den Kränzen...wie die auf seinem Kopf
aussahen...und in der Schatulle, aus der er
nach jedem Essen
einen seiner Lieblingsstumpen nahm...das Gläschen Veltliner
trinke ich jetzt halt für ihn...wo er`s doch nicht mehr kann...
wenn`s
wahr ist...
-
Einmal, als wir etwa drei Jahre verheiratet waren, hat er mich
gefragt, ob wir nicht ein Kind haben sollten...es ist nichts
daraus geworden...der Liebe Gott hat`s nicht gewollt...er
wird schon gewusst haben, warum...aber dem Albert ist das
sehr nah gegangen damals...er war eben so ein richtiger
Kindernarr...Da haben wir denn eines angenommen, ein
schwaches, verschupftes Würmlein, und als es nach einem
halben Jahr die Kinderlähmung bekam,
konnten ihm alle
Arztkünste der Welt nicht mehr helfen..."Siehst du", habe
ich zu Albert gesagt, "Es soll nicht sein"... und er musste es
einsehen...
Da hat er sich dann dafür mit doppeltem Eifer in die Arbeit
gestürzt...mit irgend etwas musste er das Loch in seinem
Herzen ja ausfüllen...da
hat er sich dann dafür mit viel Liebe
und Hingabe seiner Arbeit gewidmet...die im Geschäft haben
immer gesagt: "So einen wie den Albert gibt es keinen
Zweiten mehr"...pünktlich und exakt war er... zuverlässig wie
ein guter Hund...und dabei hat er mich nie vergessen...
zwedreimal im Jahr brachte er mir aus der Stadt
eine grosse
Pralinenschokolade mit nach hause...eine von den teuren...
aber das hat er nie gesagt, auch nicht im Streit...nun ja, um
sich nicht zu vergessen,
muss man sich wohl von Zeit zu Zeit
ein wenig streiten...das kommt schon wieder in Ordnung...
mit so einem, wie der Albert einer war...
-
Nach dem Nachtessen spielten wir manchmal noch eine Partie
Domino...am Samastag Abend vielleicht zwei..."Du spielst nicht
gut", hat Albert immer gesagt zu mir,...in Wirklichkeit
aber hat
meistens er verloren...das konnt er doch nicht zugeben...so
gab ich ihm denn jeweils zur Antwort: "Ich weiss"... und
während ich dies
sagte, legte ich den entscheidenden Stein...
wir hatten eine Dominokasse. ein kleines, schmuckes Ding, mit
einem fein verzierten Schlitzlein...der Verlierer bezahlte einen
Fünfer...oder einen Fünfziger, wenn er den Humor nicht ganz
verloren hatte...und wenn das Kässelein nach einem Vierteljahr
wieder einmal voll war, leisteten wir
uns an einem Sonntag
einen Coupe Dänemark im Im Resraurant `Aussichtspunkt`...
das war immer sehr schön...
-
Wir
hatten aber nicht jeden Abend Zeit für das Dominospiel...
pünktlich und exakt ging er jeden Dienstag gleich nach dem
Nachtessen aus dem Haus..."Gute Nacht, Schatz", sagte er...
"Schatz"...und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die
Stirne...er war eben schon beim Kegeln...und bevor er die
Haustüre hinter sich abschloss,
sagte er noch: "Ich wecke
dich, wenn ich zurück bin"...dann war es still im Haus...ich
setzte mich mit dem Flickzeug in den grossen Ohrensessel, in
dem
er sonst sass, und machte mir beim Flicken und ein wenig
Radiomusik meine ganz eigenen Gedanken, bis ich müde
wurde...das war mein Dienstag Abend...
-
An einem Dienstag ging Albert nicht zum Kegeln...dem Wirt war
die Mutter gestorben, und er vermietete in der Trauerwoche
die Kegelbahn nicht...an jenem
Abend habe ich lange mit
Albert geredet...ich habe ihn gefragt, was denn an dem groben
Sport so interessant sei...er hat mir geantwortet, ich verstünde
nichts
von dieser Art Feinheiten, die wären eben ausgesprochen
männlich...und dann haben wir noch über vielerlei anderes
geredet...und dann hat mir der Albert männliche Feinheiten
gezeigt, die verstand ich sehr gut...
-
Er hatte einen Freund, den Alphons...Albert, Alphons..."Ich habe
nur einen wirklichen
Freund, den Alphons", sagte er oft, "Der
geht mit mir durch Dick und Dünn"...das sind sie auch gegangen
zusammen...wenn der Alphons bei uns zu Besuch war, waren die
die Nächte zu kurz...kurz nach Mitternacht ging ich zu Bett...
dann müssen sie es zusammen gegangen sein...ich habe nie auch
nur versucht, zu verstehen, was durch die
Wand drang...sie
gingen im gleichen Monat...
-
Ich hatte die Marie zur Freundin...die Marie mit ihren ewigguten
Nachrichten...und
ihrem langweiligen Glück...nichts liess sie
gelten, was ihr widersprach...sie redete viel von Toleranz und
meinte damit wohl ihr grenzenloses Einberständnis, vorallem mit
Ihresgleichgen...ich habe sie trotzdem gemocht...wir kannten uns
zu gut...aber plötzlich begann sie über den Albert zu schimpfen,
und dann über
mich, und überhaupt über jedermann...da war
für mich die Marie schon bald tot...sie lebt noch...
-
Also hatte ich keine Freundin mehr
und lebte nur noch für den
Albert...ich kochte ihm seine Liebslingsgerichte...Kutteln mochte
er besonders gern...ich habe Kutteln lange nicht gemocht...ich
strickte ihm quergestreifte Socken...und schaute mir in seinem
geliebten Garten jedes Sträichlein genau an, um ihm auch sagen
zu können, welches mir am besten gefiel...
Sein Garten...der Albert und sein Garten...ich habe mich oft
in welchen Stunden er ihn besorgte...mir schien es doch, wir
wären jeden Augenblick, in
dem er nicht im Geschäft war,
zusammen...und doch war der Garten immer in bester Ordnung...
vielleicht wuchs bein uns kein Unkraut...das konnte ja gar
nicht
sein...und jemand musste den Komposthaufen angelegt
haben...und den Mist um die Rosen...und dann der aufgepfropfte
Apfelbaum...ein bisschen konnte der Albert wohl zaubern...er
hat immer gesagt: "Wenn ich einmal pensioniert bin"...und dann
liess er sich nicht pensionieren...
-
Nur in dem Sommer, als wir zehn Jahre
verheiratet waren,
benahm sich der Garten nicht wie gewohnt...auch sonst war
vieles anders als in den anderen Jahren...wir redeten schneller
miteinander...ich
zerschlug mehr Geschirr als in meinem ganzen
bisherigen Leben...er ging oft abends noch aus dem Haus...
"Zum Herr Pfarrer", sagte er jedesmal auf meine Frage, "Ich habe
etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen, etwas das mir Sorgen
macht"...ich habe ihn nicht mit weiteren unnötigen Fragen
plagen wollen...und im Jahr darauf war alles wieder
wie zuvor...
nur schöner...
-
Dann kam ein grosse Zeit...unsere Schützen bereiteten sich auf
einen Wettkampf
mit den Schützen aus dem Nachbarland vor...
nur die besten sollten mitreisen dürfen, und das gab viel böses
Blut...der Albert hat sich mit seiner ganzen Kraft für den
Frieden eingesetzt...aber der trat erst wieder ein, als unsere
Delegation mit einem Sieg auf den stolzen Häuptern in die
Heimatstadt zurückgekehrt
war...für mich war das Schönste
nicht der Sieg...nein...er hat mich ins Ausland mitgenommen,
der Albert...ich war die einzige Frau unter all den Männern...
wir hatte lange gespart für mein Reisegeld und für meine
Unterkunft...und dann...das war etwas...die Grenze...die so
anders aussehenden Häuser...die fremde Sprache
und die
ungewohnte Kost...nur...beim Albert wollten sie mich nicht
wohnen lassen...es störe die Konzentration vor dem Kampf...
da het er sich denn
halt einen kleinen Scnupfen geholt...
vor dem Kampf...und den sachgerecht zu kurieren, war
keiner seiner Kameraden im Stande...
SIE BETRACHTET DEN GOBELIN.
Eine schöne Arbeit, so ein Gobelin...man stickt und stickt,
in vielen Farben, und wenn dann das Ganze
vor einem liegt,
sind die schmerzenden Hände vergessen, und es ist, als
hätte es dieses Bild schon ewig gegeben...
SIE SCHIEBT DIE ARBEIT FÜR EINEN AUGENBLICK BEISEITE,
SCHAUT IN DEN SPIEGELUND LEGT SICH NEUEN PUDER AUF.
DANN BEGINNT SIE WIEDER ZU STICKEN.
Wie sich die Farbpunkte zusammenfügen...wie viele Stufen
sind zwischen Rosa sind und Rot...
"Mein liebster Albert", habe ich ihm geschrieben...das
war,
als er an der bedrohten Landesgrenze stand..."Mein liebster
Albert...jetzt, da du nicht bei mir bist und ich viel Zeit damit
verbringe, mir dich
vorzustellen"...ich weiss noch , was ich
schrieb, wie wenn es gestern gewesen wäre..."Jetzt erst
spüre ich, aus wieviel kleinen und allerkleinsten Teilchen
Du, mein starker, tapferer Mann, zusammengesetzt bist"...
das ist wahr..."Mit jedem meiner Gedanken an Dich
entdecke ich neue...und doch weiss ich, dass ich aus
meiner Erinnerung nur ein lückenhaftes Bild von Dir
zusammentragen kann...wie unfassbar gross muss also das
sein, was mir in der Erwartung, Dich bald wieder gesund und
ganz vor mir zu sehen, beinahe das Herz im Leibe stehen
lässt"...das schrieb ich ihm...und etwas wie "Liebe Grüsse
noch...
Seine Antwort war kurz "Liebste, bei uns alles in Ordnung...
der Feind scheint uns noch einmal verschonen zu wollen...
vergiss bitte nicht, über Nacht die empfindlicheren
Rosen
zuzudecken...in Gedanken bei Dir...Albert"...es blieb dann
gottlob nicht nur bei den Gedanken...
-
Aber auch
wir sind nicht verschont geblieben...vom Krieg
zwar schon...doch kaum war der zu Ende, und man hatte
noch nicht einmal erfassen können, wieviel Unheil er auf
der ganzen Welt angerichtet hatte, geschah es...
mitten an einem Nachmittag läutete die Hausglocke
zweimal kurz...."Die Post", dachte ich...und noch zweimal,
und dann lang anhaltend, und dann schlug jemand mit
den Fäusten gegen die Tür...ich erschrak und ging schnell
öffnen...der Alphons stand vor mir...kreideweiss
im ganzen
Gesicht..."Was ist", fragte ich, "Ist etwas Schlimmes passiert,
Alphons?"..."Der Albert", presste er hervor, "Den Albert hat`s
erwischt...schlimm
geht`s ihm", konnte noch heraushören...
das hiess, dass er lebte...wir fuhren hin...ich dem Alphons
hinten auf dem Fahrrad...unterwegs schrie er mir über die
Schulter zu, was geschehen war..."Ein Kran hat geschwenkt,
Eisenbalken im Greifer...Albert auf dem Weg zur Kantine...
sicher auf die Uhr geschaut...Albert...am rechten Arm
erwischt...durch die halbe Halle geschleudert"...
ich lielt mich fest am Fahrradsattel...dann waren wir dort...
der Arm war schlimm dran..Albert lächelte...
-
In der ersten Zeit zu Hause hat er viel gelesen...jede
Bewegung bereitete ihm Schmerzen..."Lesen kann ich
trotzdem
noch ohne Brille", sagte er...also las er...und ich
auch...er vorwiegend in der Zeitung, ich in der Bibel...wir
haben dann jeweils ausgetauscht, was wir Neues wussten...
-
Eines Tages sagte der Albert: "Ich muss jetzt wieder etwas
tun"...da legte er sich eine Sammlung an...alles so kleine
Dingelein, durch den
seltenen oder den häufigen Gebrauch
verändert..."Das liegt auf der Strasse", sagte er und machte
lange Spaziergänge...wieder zu Hause, zog er sich in seine
Kammer zurück, um die neuen Schätze einzuordnen...und
manchmal, wenn etwas Besonderes hinzugekommen war,
zeigte er mir die Sammlung...mir sagte das eigentlich nicht
viel...da muss man das Auge haben dafür...wer es auf der
Strasse, wo es herumliegt, nicht findet, dem kann`s auch
nicht viel sagen...aber die Sammlung
war ganz der Albert...
-
Durch die regelmässigen Spaziergänge und das regelmässige
Sichbücken, wenn er etwas von der Strasse auflas,
erholte
er sich schnell...nach Möglichkeit tat er alles mit seinem
verletzten Arm...der Albert...das ganze Hausdach hat er neu
unterschindelt...im
Garten hat er neue Platten gelegt..."Das
war schon lange fällig"...überhaupt war jede Arbeit, die seinen
Arm überforderte, "schon lange fällig"...auch dass ihm der
Arzt
endlich erlaubte, wieder ins Geschäft zu gehen...
-
An seinem Geburtstag haben wir dann ein richtige Fest gefeiert,
der Alphons...und er...und ich...
-
Nie hat mich der Albert liebevoller umsorgt, wie in den Jahren
nach dem Unfall...er zeigte mir, wer wen
zu beschützen hatte...
seiner Meinung nach...und als ich es einmal wagte, etwas von
Vorsorge zu sagen, wurde er richtig böse..."Was glaubst du, wie
ich schon dran bin", schrie er mich an...ich versuchte, ihn zu
beruhigen, aber fuhr fort..."Vorsorgen sind Sorgen vor den
Sorgen, und die machen sich nur die Dummen"...erst als
ich
mich ganz dumm stellte, wurde er wieder lieb und sanft...
-
Wir haben eine unbeschwerte Zeit verbracht...ich weiss kaum
mehr etwas davon...doch...einmal fiel der Strom aus, gerade
als ich kochen wollte...und der Albert redete viel und oft von
Fortschritt..."Im Geschäft", sagte er..."Aber
mich können sie
immer noch brauchen"...ich habe ihm eine so richtig warme
Jacke gestrickt und gesagt, es seien doch alles seine
Lieblingsfarben...und
unser Briefträger starb...und der neue
brachte in der ersten Woche jedem die Post des Nachbarn...
bis man ihm Nussgipfel und Kaffee versprach als Lohn für
genaue Arbeit...ich weiss nicht einmal mehr, auf wieviele
Jahre sich alle diese Vorkommnisse verteilten...bis etwas
ganz Ungewöhnliches geschah...
-
An einem Freitagabend kam der Albert nach Hause...das
Nachtessen rührte er kaum an...mir hatte schon der ganze
Tag keinen Spass gemacht,
ohne dass ich hätte sagen
können, weshalb..."Wir fahren in die Ferien", sagte er,
als er schon zum dritten Mal versuchte, seinen Stumpen
anzuzünden...Ferien...dann
haben wir doch noch alles
aufgegessen, was auf dem Tisch stand...er hat seinen
Stumpen geraucht...wir haben auch zwei Partien Domino
gespielt...
-
WIr fuhren in die Berge...wir hätten ebensogut ans Meer
fahren können...oder in die Wüste...aber wir fuhren in die
Berge..."So viele Steine", sagte der Albert immer wieder...
"So viele Steine machen einen Berg"...und..."Ich möchte
einmal auf einen ganz hinaufsteigen...von einem Punkt
aus
nach beiden Seiten schauen können...der Aufstieg wäre
vielleicht mühsam...aber einmal oben, sind dann die
schmerzenden Füsse
vergessen, und es ist, als hätte man
schon ewig auf diesem Gipfel gestanden"...das schrieb er
auch auf eine Postkarte...an dem Alphons...
-
Wir kehrten füher als vorgesehen nach Hause zurück...ich
war ausgeruht...dem Albert fehlte zuviel...
SIE
STICKT LANGE WORTLOS.
Wir waren uns sehr ähnlich...und doch wieder nicht...man
gleicht sich aneinander an in so vielen Jahren...das ist
es
denn auch, was einem teilweise die gleichen Gesichtszüge
verleiht...das sind die gemeinsamen Sorgen und Freuden...
aber eben nur teilweise..."Alles
andere ist Sektierei", hat
der Albert immer gesagt...wie recht er manchmal hatte...
-
Ein paar Wochen nachdem er die Arbeit wieder aufgenommen
hatte, begann ich zu verstehen...deshalb waren wir in die
Ferien gefahren...deshalb hatten sie ihn in die Ferien
geschickt...es fällt nicht leicht, wenn
es zum erstem Mal
geschieht, dass andere über einen verfügen...ich habe mit
Albert nie darüber geredet...er war am Abend auch immer zu
müde..."Mach
mir schnell etwas zu essen, ich möchte schlafen
gehen"...das war neu für mich...ich brauchte einige Zeit, um
mich daran zu gewöhnen...ich sass dann oft noch alleine im
Wohnzimmer...ich hätte grosse Lust gehabt, zu arbeiten, aber
es fehlte mir der Mut dazu..."Er liegt jetzt oben", ging es mir
immer wieder durch den
Kopf, "Und ich sitze hier"...so legte
ich mich denn auch schlafen...legte mich hin...
SIE BETRACHTET DEN GOBELIN.
Während Monaten scheinen die kleinen Stiche wahllos
verstreut...und plötzlich, in einem einzigen Augenblick,
fügen sie sich zum Bild zusammen...
SIE LEGT DIE ARBEIT IN IHREN SCHOSS.
Es stand schlechter um ihn, ales er zugeben wollte...
"Bald ist unser Hochzeitstag", sagte er immer öfter, wenn
er sich am Morgen mühsam erhob..."Ein schöner Tag"...an
unserem Hochzeitstag habe ich ihm einen Brei
gekocht...
er hat ihn kaum angerührt...es schien bald soweit zu sein...
SIE BETRACHTET DEN GOBELIN.
Die weisse Bettdecke...ein letztes Sichaufbäumen..."Spiel
Domino mit mir"...wer legt den letzten Stein..."So viele
Steine machen einen Berg"...das
weisse Kissen..."Einmal von
einem Punkt aus...nach beiden Seiten schauen"...sein weisses
Gesicht...Albert...
SIE
NIMMT DIE ARBEIT WIEDER AUF.
Wie das ist...mit einem Mann wie dem Albert sein Leben
verbracht zu haben...
-
Eine schöne Arbeit, so ein Gobelin...
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- FIN -